Lhasa de Sela – La Llorona

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lhasa la llorona cover
kategorie: Musik
label: Warner
genre: Folk
medium: CD

VÖ: 29.03.1999

Wir legen La Llorona ein und geben uns hin, der Stimme, die so säuselnd ihr Spanisch einträufelt, den Ohren die Spülung gibt, welche den Lärm beseitigt und reinen Klang zurücklässt. Dieses ist nicht nur sprichwörtlich, wir hören Wasserschwappen, hören die raue Stimmung aus dem Jenseits, in Süße gegossen, in Silben, die von leicht feuchten Lippen liebkosend entlassen, sich zum Singsang eines melancholischen Spiels sammeln, dass seinesgleichen sucht und kaum findet.

Folkig ist La Llorona, meint mexikanisch-spanisch vor allem, jedoch ist die Weltenwandlerin Lhasa zu viel sehend und hörend herumgekommen, als dass nicht in diesem Felde, das ein-andere ins Kraut schösse, was nicht monokulturell, sondern schönstes Ergänzen. Da wird das Metall-zu-Blasende klassisch eingesetzt, bei einer ruhigen Weise, und plötzlich scherzt der Geschwindigkeitsanhub. Dann wieder scheppert das Schlagwerk schrottig, darüber eine Gitarre einfach, aber genial, ihr Klimpern tanzen lässt, während im Hintergrund es sphärisch seufzt. Und immer wieder tritt das Thema vor der Pause noch einmal hervor, diese Pointen der Zwischenruhe fügen sich ein, geschmeidig wie der Leib einer andalusischen Tänzerin im schwarzen Kleide, das sich in der Pirouette zum Schirm aufspannt. Dieses tanzt als Gedanke des Lauschers, da Lhasa ihre Arme schlängelnd vor dem Mikrophon bewegt und mit geschlossenen, ungewöhnlichen und daher so schönen Augen plötzlich die ebenso ungewöhnliche und schöne Stimme hebt. Als ein verzerrtes Etwas über ein orchestrales Steigern hinweg jazzt, dass in sich zusammenbrechend wieder, fasst verschämt, die Folkmelodei aufnimmt.

Noch ein Blick auf die CD, das Cover von La Llorona ziert ein Portrait in blau-gelb-rot, leuchtend, fast brutal, ein Gesicht, das scharf dargestellt, mit wissend-tragischem Blick. Fast dämonisch mutet die Maske (lat. persona) an. Behauptet wird, es sei ein Selbstportrait, das die Sängerin von sich malte. Es blickt uns an. Fordert es, oder fragt es uns, ob nicht wir uns etwas fragen sollten, welches Geheimnis birgt die Unbeweglichkeit dieser Züge und wie bewegt wiederum uns dieses Gesicht? Auf der Booklet-Rückseite entwächst eine fotografierte Lhasa, gelb aus dem schwarz, geisterhaft und in den Zügen fast konturlose Farbfläche. Bilder und Musik sind gleichermaßen so gewaltig expressiv, dabei aber subtil, nicht marktschreierisch. Auch in der Ruhe ausdrucksstark und selbstgewiss. Es braucht keinen Alarm, nur eine Idee und eine Künstlerin dieser Stimme zu verleihen. Dies alles hier, ist traumhaft und bezaubernd. (4,5/5)

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