Mick Harvey – Intoxicated Man / Pink Elephants

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mick harvey intoxicated man pink elephants cover
kategorie: Musik
label: Mute
genre: Alternative, Pop
medium: CD

VÖ: 04.04.2014

Wie schwer fällt es! Da steht es nun das Musikalische, vor Ohren. Und schreibend sieht man sich gezwungen das Doppelalbum Intoxicated Man / Pink Elephants in ein bis zwei Genres einzupressen. Ihm Gewalt anzutun, durch Stopfen in Schubladen. Wieviel fällt einem zu dem Gehörten ein, wie viel an Biographischem wäre zu berichten, welch Parallelen und Vergleiche drängten sich nicht auf, doch am allerlängsten überlegt man: Welches Genre ist das nun eigentlich? Auf diesem Wege der Musik wahrlich nie gerecht werdend. Das Ich entscheidet sich, ist aber mit dem Entscheid nicht zufrieden. Die neugierige Kategorienlehrenzeile ist nun jedenfalls leidlich ausgefüllt, es kann das Eigentliche beginnen, mit schlechtem Gewissen angegangen.

Wir schreiben das Jahr: 1995, und hier noch einmal jenes: 1997. Zeitliche Orientierung, der jeweilig einzelnen Erstveröffentlichungen von Intoxicated Man und Pink Elephants, dessen was hier nun als Doppelalbum den Rezensententisch belagert. Es sind diese in eins gepackt, da thematisch so eng verwandt wie es geht, nämlich Geschwister.

Serge Gainsbourg, französischer Dichter, Komponist, Sänger, Maler und Schauspieler sowie natürlich „Je t’aime …“-Seufz-Stöhnender, also dieser in umfänglichster Vielgestaltigkeit, schenkte Mick Harvey Inspiration und Bearbeitungsmaterial zu beiden CDs. Interpretiert und übersetzt machte dieser jenen im englischen Sprachraum textlich leichter konsumierbar, diente zudem als Reichweitenexpander.

Doch darüber hinaus floss selbstredend das Eigene des ehemaligen Bad-Seeds-Gründungs-Mitgliedes umfänglich ein. Damals erstlich solistisch unterwegs. In diesem Falle bedeutet das, neben anderem, Abkunft aus differierendem Stammbaumverzweigen der Geschichte der Tonproduktion, eher dem Post-Punk verpflichtet gewesen seiend.

Im Rahmen der anglizistisch, „berauschten Männlichkeit“, bewegen wir uns bei Intoxicated Man passlich über weich-ironisch Süßes, anfänglich, angelehnt an einen englisch „samtenen Untergrund“ – scheint es, ist das Singen wie Tönen von allerlei Effekten substanzindizierten Andersseins an- bzw. diesem inhaltlich zugetan. Wie wohl mitunter eine traditionsgemäß horizontal-getaktete Bewegungserregung durch Venen oder in die Luftbläschen, songvermittelt, eingeleitet wird. Diese wie jene gar trefflich vorstell- und bestimmt auch nachstellbar.

Doch bleibt es nicht bei diesem, wird mal rockiger oder auch klassischer und die Komplexität der Arrangements nimmt merklich zu, wie auch die Instrumentierung noch allerlei integriert, abseits von Gitarre-Bass-Drums. Beatlastiger wird es, meint beatnikgemäßer, sodass der populäre Aspekt eher minoritätskulturellen Zügen weicht. Also nicht so sehr massenkultgeeignet vor sich hin kling-klangt. Das Steigern wellt dann aber auch wieder etwas ab.

Wo es jedoch etwas ruppiger und unsauberer wird, oder aber rhythmischer, ist gleichsam gaudium. Das Augenzwinkernde, dass sich mit verspielten Masken tarnt, zelebriert in den Lyrics seine frivole Freude am Alarm (wirbelnde Wohnzimmerwände, karussellgleich, da der Schnaps hörbar gluckernd das Glas kaum mehr trifft) und albernde Sprachverspieltheiten, hart am Rande des all zu Überdeutlichen, bei vermeintlich sinnreicher Dopplung (wo etwa all die benamten New Yorker Gebäude so herrlich „high“ sind und „sixty-nine“ ein Jahr der Liebe ist – und Nichts anderes!). Partiell in herrlich desillusionierter Rockstar-Attitüde, der so gewordene Traum schon lange weilend, meint: Nicht langweilig ist, sondern irgendwas zwischen melancholisch und sarkastisch, mit Achselzucken und/oder Goupies hingenommen, muss halt …

Wobei das Zitierte noch deutlich hervorzuhören ist, das Geigende chansoniert, der flüsternde und kuschelige Sing-Sang schmeichelt intim, titel-anlässlich körperlicher Liebe und pop-artiges Marken-Abfeiern von Schlagwort-Images wie Harley, Mustang und Cola mischen sich ein. Ziemlich außerernst dies, dabei ohne zu kitschig, ohne sinnlich abgeschmackt und ohne allzu bemüht, wider die trocken-bourgeoisese Spießigkeit, bohemian-like hochgejazzt zu sein, oder dies sein zu wollen. Parallelen wie gesagt: Da klingt etwas nach The Smiths/Morrissey, dann wieder nach verorgelten Stones, anderes wie Frank Sinatra auf Meskalin (als wie schauspielend in „Fear and Loathing in Las Vegas“), sowie duetthaftes, von dem mindestens eins sehr Nick-Caveig & Kylie-Minoguesk klingt.

Hingegen Pink Elephants, der „purpurne Dickhäuter“, sogar minimale Effekte von ersten Computern aufweisen kann und hernach ein wenig quetsch-kommodene Seine-Spaziergang-Romantik aufkommt. Wir hören von geschnipselten Soundscherben, zusammengeklebt von einem Fernsehjunk, der blätternd, dies besingend, seine Comicsammlung vor Augen habend, vom Kleberschnüffeln, nun ja … Ein reitender Ritter, Bad-Seeds im Ohr-Gestöpsel, plant in dunklen Gedanken sehr reduzierte Gedichts-Vertonungen. Orgel-Tänze werden aufgespielt, ins Schiefe abrutschend, da TV-Show-Bands sedierte Melodien aus ihren Boxen klopfen. Ein bisschen trapez-absturz-zirkushaft hier und etwas volks-unmusik-lächerlich-machend da. Balladenbereichertes Liedgut knüpft an Rock-Klassiker-Erinnerndes an. Dazu gibt es dann sogar noch zwei unveröffentlichte Zugaben, ohne dass man darum hätte schreien müssen, jedoch wollen, wäre nur Gelegenheit dazu gewesen.

Wir aber wollen nun es hier, also hier – nicht dort, an dieser Stelle, einmal als einen gelungenen zweifach-tonträchtig-prächtigen Package-Deal bezeichnen, was wir soeben beschrieben. Und wir haben damit recht! Die wir, ein Weilchen schon doppelt sehend, aus den Gehör-Räuschen auftauchend, wie aus den Glasscherben eines unerhaltenen Spiegels, uns nun erst einmal ernüchtern müssen. So lassen wir die erträumt diamanten-glänzenden Brüche, auch im Text, zurück, worin mit Lippenstift auf die scharfen Puzzleteile, geheimer Weise – von wem nur, geschrieben steht: Kauf, hör, ist gut! (4/5)

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