sitzen liegen schaukeln
kategorie: Feuilleton
location: Grassimuseum (Leipzig)
sparte: Ausstellung

Datum: 17.04.-14.09.2014

Es begrüßt beim Eintritt ein Ersatzteillager der Zusammenbauteile von Stühlen, sowie zusammengepuzzelter Beispiele. Gegenüber ein kurzes Zusammenfassen, von Firma und Inhaber, nun gut …. Im Hause der Kultur zieht ein Träger dieser ein, mit Klang und Spiel, die Insignien vor sich hertragend, des Kapitals. Erfolg und Glück in Gegenständlichem, so die Werbung. Geht man ihr nicht auf den Leim, wendet man sich den Gegenständen zu, sie ganz ohne dieses, ganz subjektiv zu sehen. Sind es Sitzgelegenheiten, die ausgestellt, kann man nur vorstellen wie es sei, sich zu setzen, durch Anschauung vermutend. Sich ihnen anzuvertrauen. Also weiterflaniert.

Vorfindlich sind sehr lange Tische, vielleicht kniehoch, an ihnen in Reihung sehr viele Stühle Platz haben, die Tische leuchten seitlich Licht hinter Plexiglas hervor und erhellen dunkle Wände, wie Sitzflächen. Ein wenig tetris-artig kragen sie in den Raum, einen Slalom bereitend, im vorbeischlendern. Linker Hand beginnen die Kaffeehausstühle, mit Korbgeflecht, stabil und recht wetterfest, dabei leicht und elegant. Klassisch bis skurril geformt, ersteres etwa ein Sitzmöbel von 1859, das bis heute, so ist zu lesen, erfolgreichste Produkt der Möbelgeschichte, Letzteres ein Stühlchen mit verknotetem Bein. Oft leicht abgewandelte Versionen von den Vorgängern, die meisten verhalten sich zum Erfolgsprodukt konservativ. Grundsätzlicher jedoch ist dieses durchgängig auffällig. Von einfach bis verspielt scheinen sich Genealogien der technisch Evolutionierten aufgereiht zu sammeln, mit reichlich Zitationen und mitunter gar ironisch anmutendem Erinnern an die Urahnen, im Dialog mit den Zeiten. Dieses ist ein sehr gelungenes Ausstellungselement.

Dann geht es thematisch um gebogenes Holz, hernach um ebensolche Stahlrohre, die direkt zum Einschwinger führen. Hier findet eher, scheint es, eine Auflistung statt, die von einfach und robust mit der Zeit zum mehr und mehr mondänen, manchmal gar Dekadenz in Polsterform, schreitet. Deren Materialien teurer werden, dabei das Statement ihrer Formungen eine kapitale Arroganz ausstrahlt. Die jenem entgegentritt, dem klarer wird, wem sie gebaut sind und wem nicht, also ihm. Man sieht es den Möbeln an.

Während die Kaffeehausstühle sich bescheiden geben und nichts sein wollen als nette und bequeme Gasthinternparkplätze, wölben einige dieser sich lüstern den feinen Popöchen lichtbekleideter Models entgegen, die nicht genug Fleisch auf der Hüfte haben, um mit dieser normales Sitzen sich zu erlauben. Oder den Hämorrhoiden der Mafiosi, in den Designerwohnungen ihres Neureichtums, schmeicheln. Welche, also die Wohnungen, weit jenseits der Geschmacksgrenzen zusammengekipptes Inventar enthalten. Tatsächlich manche dieser Sitze mit marktschreierischer Geste heißer für sich werben, eine sonst vorhandene Einrichtung in den Hintergrund zu protzen versuchen würden, wie immer diese aussähe. Darstellung von Reichtum ist vulgär, so auch diese imaginierte, wie weitere möglich solche.

Die älteren Holzmöbel versöhnen wieder etwas, sind meist zusammengesteckt und manchmal mit Rudimenten von Schnitzkunst bedeckt. Dies wirkt etwas altbäuerisch oder in der einfachen Formung etwas spielzeugartig, aber irgendwie auch urig und gemütlich, ohne dass sie dies dem Sitzfleisch sein müssen. Das Sperrholz tritt auf und ist doch sehr Ikea, will sagen, ein Baukästchen nach der Konstruktion, ohne diese Anmutung abwerfen zu können.

Manche der Holz- und Stahlrohrmöbel wirken ausgesprochen kalt, nüchtern bis hin zur Hässlichkeit, erstere manchmal auch wuchtig. Vor allem aber die kommenden Kunststoffmöbel sehen ausgesprochen unbequem und unfertig aus, einfach hart und wie als habe man von ihnen, aus Bosheit gegenüber dem Kunden, das Werkzeug und/oder die Konstruktion sinken lassen. Ausgestellte Gartenmöbel sind mitunter exotisch angehaucht, kommen jedoch auch techno-industriell vor. Hingegen die Liegemöbel beinah alle sehr bequem ausschauen und gar ergonomische Prinzipien wohl zu genügen vermögen, diese aber auch recht ausladend. Die Schaukelstühle sind wieder sehr wuchtig. Die Kindermöbel antiquiert.

Eine Werkschau, die firmiert. Was störend. In jedem Text die schönsprecherische Attitüde des Gutwilligen, der vielleicht nicht eingekauft, es jedoch sein könnte. Nicht wenig Ausgestelltes ist des Sehens wert, gleichen Maßes vielleicht ist dem Betrachter Verzichtbares, da es der Ästhetik entbehrt, oder diese zum Kitsch steigert. Maß und Mitte zwischen Sinn und Anschau ist nicht majoritär.

Allem gilt nicht das Prädikat künstlerisch, vielem dieses des wertvollen, im Sinne des Monetären, nicht unbedingt im Sinne des Augenerfreuenden. Damit das Sehen so Mittel. Das Thema mit Geschmäckle. Jedoch die Ausstellungsanordnung dem Museologen oder Artverwandtem ein Lehrstück zu sein vermag, so stellt es sich der Rezensent vor. Eine Ausstellung die nicht sein muss, aber kann.

(3/5)

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