Der Untertan

gelesen von Hans Korte

Die Geschichte dürfte bekannt sein, Heinrich Mann erzählt von einem Menschen und wie er zum Untertan heranwächst, wo er herkommt, wohin er geht. Bürgerlich-kleinstädtischer Herkunft gelangt er zum Studium nach Berlin, tritt einer Burschenschaft bei und lernt dort das Saufen für eine Ehre und das Buckeln vor dem Adel als vorzügliches Abenteuer zu begreifen. Wohl keiner hat diese erbärmliche Wichtigkeit, von Wicht abgeleitet, besser beschrieben als Kurt Tucholsky, dessen Rezension auch vollständig im beigelegten Booklet zu finden ist, daher er hier zitiert wird.

„Dieses Buch Heinrich Manns, […] ist das Herbarium des deutschen Mannes. Hier ist er ganz: in seiner Sucht, zu befehlen und zu gehorchen, in seiner Ro[h]heit und in seiner Religiosität, in seiner Erfolganbeterei und in seiner namenlosen Zivilfeigheit. Leider: es ist der deutsche Mann schlechthin gewesen; wer anders war, hatte nichts zu sagen, hieß Vaterlandsverräter und war kaiserlicherseits angewiesen, den Staub des Landes von den Pantoffeln zu schütteln“. Tucholsky schrieb dies 1919 nach dem I. Weltkrieg, Manns Werk aber beschreibt das, was sich dann in jenem so pervers bewahrheitete, 1914 prophetischer Weise.

Das Buch, welchem das Zitat entstammt, versammelt den Text, der hier vollständig eingesprochenen 13 CDs, auf 449 Seiten. Im Mitlesen erweist sich besonders das Format des Sprecherstils, der unaufgeregt und mit viel Gespür für Timing und Ironie, manchmal bitterböse bei allem jovialen Ton, dies alles vorliest. Es ist eine sehr angenehme Tonlage, die einem die Zeit des Zuhörens gewiss nicht lang macht, was bei dem Umfang des Hörmaterials eine Leistung ist. Im Lesen wie im Hören erweist sich nun freilich auch die Meisterschaft des Autors und warum dieses Buch wohl zu jenen gezählt werden kann, ja muss, die einem jeden, mindestens Deutschen, im Grunde aber allen Menschen, die irgendwie nun leider in Hierarchien leben müssen, anzuempfehlen ist. Nicht nur aufgrund seines Inhaltes. Auch wegen seines Stils.

Man wird schwerlich Vergleichbares finden, dass die Realität eines Menschen-Typus darstellt, der kaum etwas so sehr verabscheut wie lächerlich zu wirken, und dabei lächerlicher wirkt, als alles was er für lächerlich hält, so famos komponiert und an den neuralgischen Punkten dieser Offenbarwerdung niedergeschrieben, dass zumindest den Einsichtigen klar werden muss, wohin dieses führen kann und historisch gesehen auch tatsächlich führt. Dabei ist das alles auch ein Gesellschaftsbild einer Gesellschaft die dem Würstchen den Weg nach oben weißt, seiner Niedrigkeit eine Karriere erlaubt, nicht fragend welch ein Mensch er sei, sondern was er etwa Arbeitern abpressen könne, oder wie gut er es vermag aus einer hohlen und absurd strengen Prinzipienreiterei einen Rechtsbegriff und wieder daraus „die Gerechtigkeit“ zu formen, die nichts weniger ist als das oder wie verinnerlich er die Schleifermentalität des Kasernenhofs habe, mithin die Menschenschindung.

Auch muss gesagt werden, dass dieses Buch nicht nur historisch ist oder Spiegel seiner Zeit, der Menschen-Typus ist nicht ausgestorben, manchmal scheint es gar, er wäre nicht einmal in seiner Zahl verringert trotz der Zäsuren von 18 und 45, die dieses doch hätten vermuten lassen könnten, so meinte vielleicht der naive Beobachter. Doch braucht es keinen Kaiser, keinen Führer, es braucht nur Mutti oder etwa einen ehemaligen Papst, schon sind die Reihen wieder geschlossen, die Hacken zusammengeschlagen und das Volk steht fast wie ein Mann bei der Fahne, die ein Präsi streichelt. Und wider diesen Un-Geist steht dieses Buch, wie sein Autor, wie ein Tucholsky und so die Hoffnung, die möglichst vielen Leser oder Hörer, die dieses Buch und Hörbuch verdient.

Technisch ist das Hörbuch im übrigen perfekt, dazu vollständig und hervorragend besprochen, für dreizehn CDs ist sogar der Preis passabel, wenn auch das antiquarische Buch erheblich günstiger zu haben ist. Doch wer lieber hört als liest: Dieses Hörbuch hat keinerlei Makel an sich. Daumen hoch. (5/5)