DIAZ – Don’t Clean Up This Blood

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diaz don't clean up this blood blu-ray cover

Produktion: ITA/FRA/RUM 2012 | 121 Min. |
VÖ: 20.06.2013

2001, Italien, Genua, Gipfel der G8, es kommt zu Ausschreitungen, ziemlich ausgeprägten sogar. Während die reichsten Staaten sich über allerlei Globalisieren verständigen, mobilisieren „linke“ und „anarchistische“ Gruppen zum Protest hiergegen. Dies ist im Durcheinander von Absperrungen, Verhaftungen, Randalen und Schikanen von Polizeiseite nicht einfach zu organisieren, daher gibt es das Genoa Social Forum in einer Schule, die Diaz genannt wird. Dieses Forum organisiert zum Beispiel Schlafplätze (ausgebuchte Hotels), bietet Rechtsbeistand (Inhaftierung von Demonstranten), sucht nach Vermissten (verletzt?, verhaftet?, verirrt?, Opfer eines Verbrechens?), gibt Pressemitteilungen zum Tagungsgeschehen und den Alternativveranstaltungen raus und koordiniert Aktionen. Nun gut, tatsächlich finden sich dort auch sogenannte „gewaltbereite Aktivisten“, jedoch sind die allermeisten nicht gewalttätig in Erscheinung getreten.

Im Film taucht eine Flasche immer wieder prominent auf, sie ist leer, wird geworfen und zerschellt auf der Straße. Sie wurde nach einem Auto der Ordnungskräfte geworfen, unmittelbar vor der Schule. Das genügt um eine nicht richterlich genehmigte Haussuchung durchzuführen, da es sich hierbei um tätlichen Angriff mit Waffeneinsatz auf Beamte handelt. Die in der Schule Befindlichen werden kurzerhand zu extremistischen Anarchos, zu terroristischen Kommunisten erklärt. Die Stürmung steht an.

Der Schnitt der eingesetzten Polizistenseelen zeichnet sich durch Revanchegefühle, Gewaltbereitschaft und faschistoide Dummheit aus. Bei der Erstürmung wird auf alles eingeschlagen und eingetreten, was sich bewegt, sogar auf das, was sich dann nicht mehr bewegt. Der Film erzählt wie es dahin kam, aus Opfer und Tätersicht und wie versucht wurde diese Zuordnung durch Beweisfälschung, Einschüchterung und (sehr) konservative Medien umzukehren.

Eine deutsche Aktivistin (überzeugend gespielt von Jennifer Ulrich) ist hier in einer Hauptrolle. Sie wird verletzt, sie wird gedemütigt und psychischer Folter ausgesetzt. Der „Rechtsstaat“ verhandelte sie, „Freunde und Helfer“ bedienten sie, eine „Zivil-Gesellschaft“ meinte über sie urteilen zu können. All das mit sehr realem und sehr wahrem Hintergrund.

UND?

Was hier zu sehen ist, in diesem Film, ist drastisch, ist explizit. Die Kameraführung dringt in Unschärfen vor, ins Dunkle, verwackelt, schmutzig, unbarmherzig. Das Ganze ist erst ab 16 und dies berechtigt. Das zarte Gemüt wird damit zu kämpfen haben, doch der Verstand sollte es erzwingen sich dies aufzuerlegen. Ist dieser Film so gut gemacht, dass er fast volle Punktzahl verdient? Das ist nicht so sehr Grund der Beurteilung.

Der Film ist wichtig! Denn er macht eine Aussage. Man muss die Ohren auftun und darüber nachdenken was man sieht und dann wird es beklemmend und geradezu sozial-psychologisch. Da sind nun also die Polizisten. Träger des Gewaltmonopols des Staates. Sie verhalten sich illegitim, sie verstoßen gegen das Gesetz, was sie schützen sollen. Und niemand kann sie aufhalten, niemand kann sich gegen sie wehren. Sicher, vielleicht im Anschluss, kann man Anklage erheben, allerdings tun dies staatliche Organe, über dies weiß der Abspann Aufschlussreiches zu berichten.

Es stellt sich die Frage: Wie hätten Sie sich verhalten? Sie sind in diesem Gebäude, vielleicht wie einige unter denen, die einfach keinen anderen Schlafplatz mehr gefunden haben, und die Bullen stürmen den Laden. Sie haben nichts getan, vielleicht waren Sie ihr Leben lang ein braver Bürger, der nie mit dem Gesetz in Konflikt kam, und da trifft Sie eine Faust, ein Schlagstock, ein Stahlkappenstiefel. Sie gehen zu Boden, versuchen sich so gut es geht zu schützen, dafür bekommen Sie nur noch mehr Hiebe, es gibt Nichts was Sie tun können. Vielleicht sind Sie Journalist, vielleicht stehen Sie mit erhobenen Armen da, bereit sich widerspruchslos festnehmen zu lassen, es nützt Ihnen nichts. Da kommt der Knüppel gesaust.

Es sind auch Abstriche zu machen, denn man sieht nicht immer besonders gut, in diesem Film, worauf die Kamera gerichtet ist. Die Unschärfenmomente sind etwas zu häufig als Mittel verwand. Andererseits kann man vielleicht auch darauf verzichten, nun ganz genau zu sehen wie ein Gesicht, einer überreifen Frucht vergleichbar, vom Schlagstock getroffen, aufplatzt. Es gibt klischeehaftes, zum Beispiel den einen guten Bullen, der stellvertretend für jene steht, die nicht brutale, selbstgerechte, machtmissbrauchende Faschisten sind. Er ist die Alibifigur und das Gegenbild. Im Versuch nicht einseitig zu urteilen. Aber die Situation ist ja vielleicht einseitig zu beurteilen? Vielleicht ist die Rollenverteilung ja nur mit Kontrapositionen darzustellen, wenn es wahr dargestellt sein soll? Manchmal ist vielleicht nach Gut und Böse aufzuteilen?

Das eigentliche Genua-Gipfel-Geschehen, das politisch zur Diskussion Gestellte, die Ziele der Demonstranten kommen leider nicht vor, damit muss man schon an Genua Erinnerungen haben, um sich in der Zeit zurecht- und also in die Situation einzufinden. Was 12 Jahre später vielleicht doch einer Informationsauffrischung bedurft hätte. Aber recht eigentlich soll es ja auch „nur“ um die Schulerstürmung gehen und das geschieht ja bereits kinoabendfüllend. Kleinere Mankos also. Aber insgesamt sei jeder politisch, sozial und/oder gesellschaftlich sich engagiert Fühlende dringend aufgerufen den Film zu sehen. Jedoch wünscht sich der Rezensent, dass Viele mehr sich hierzu ermuntert fühlten. Ansehen! (4,5/5)

BLU-RAY

Bild: 2,35:1 | HD 1080/24p
Ton: Deutsch, Italienisch, Portugiesisch DTS-HD 5.1

EAN: 5050582911817

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