geteilte erde shared ground
kategorie: Feuilleton
location: Grassimuseum (Leipzig)
sparte: Ausstellung

Datum: 11.10.2013-25.05.2014

Eine Erde ist. Darauf Erden ohne Zahl. Verschiedene Erden, verschiedener Farben, Dichten, Körnungen, … und beliebig vorstellbar so immer weiter. Was dies dem Asphalt-Cowboy urbaner Welten? Mit dem Pritschenwagen voller Alltag, über das Versiegelte preschend? Die Erde gibt Struktur. Sie gibt was man ihr nimmt. Ist passiv. Jedoch! Ist man ihrer kundig, ihrer Eigen-Art, ist der Gedanke nicht mehr fern, aus Wissen und Material etwas zu gestalten, dass über es/sie hinausgeht. Gewissermaßen den kreativen Funken des Anthropologischen in die unbelebten Stäube einpustend, Seele einhauchend, wenn man will, dass lebendig den Betrachter es anhauche, solcher Aschen die verwandt auch seiner Asche, die er einst werden wird.

Die Einflugschneise liegt hinter dem Leser, begeben wir uns zur Landung zwischen den Tatsachen und ihrer Interpretation und Be-Gut-Achtung. Die Keramik der Lotte Reimers steht Gemälden australischer Maler gegenüber, solche sich an der alten Tradition der Bildwerke der Aborigines orientierende, jedoch selber heutig sind. Wie kommt diese thematische Gegenüberstellung zu Stande? Die Ausstellungskonzeption sieht einen Dialog vor, zwischen Zwei- und Dreidimension, jeweiliger Kombinatorik der Farben, Materien und nicht sehr unterschiedliche, motivische Wege, über die Abstraktion, zum Ergeben.

Und tatsächlich. Scheint es sich unter den meisten Gegenständen herumgesprochen zu haben. Irgendetwas ist da, was sie sich zu erzählen haben, besonders deutlich in der medial ermöglichten Nebeneinanderstellung. Doch ist es auch eine Korrelation, die ausgelösten Stimmungen und Empfindungen an Gegenstand und Ansicht transportiert sich leicht im Weitergehen, von diesem zu jenem, daran sich wieder ein bisschen zu wandeln. Obschon weder geographisch-historische noch traditional-handwerkliche Nähen allzu offenbar werden könnten. Kultur der Sache – Die Distanzen. Allein, ist dieses nicht auch Globalisierung? Überbrückung dieser in diesem einen Raum? Der Sprachenvergleich der Ausdrücke scheint sensual keine Translations-Kollisionen zu erzeugen. Vielleicht dieses auf der unausgesprochenen, jeweiligen Bedeutungsebene.

Lotte Reimers, 1932 geboren, begann 1953 mit Textilarbeiten, ab 1957 solche fotografischer Art und 1965 schließlich mit eigenen keramischen Arbeiten. Sie gründete und baute zudem das Deidesheiner Museum für Keramik mit auf. Ihre ausgestellten Keramiken haben oft architektonische Anklänge, sehr einfachen Gebäuden ähnelnd, was auch an den Titeln deutlich wird, es finden sich Pagoden und Türme, aber auch Dachstrukturen neben eher klassisch geformten Schalen, Gefäßen, Vasen und Ähnlichem.

Die Farben (v.a. gelb, braun, ocker, weiß, rot und schwarz) der indigenen Kultur(en) Australiens, ihrer Kunst, lang hin unentdeckt und weitgehend unbeeinflusst entstanden, behielt ihren exotisch-exklusiven Charme, ihr Eigenes, das Alleinstellende. Aus Böden, Aschen und Tonen gewonnen. Punktiert auf grob-grafische Farbflächen und Linien. Über die reine Tradition hinaus. Mitunter auch labyrinthische Formen sind gemalt, ohne offenbare sich mitteilende Symbolik, wie über diese Bildsprache, ins Heutige, der Buchstaben verlustig gegangen, sprachlos, oder doch nur vage erinnernd. Fast ein farbliches Schneegestöber, als habe es, durch einen Regenbogen fließender Eintönung, selbige bindenden Wassers auf die Leinwände getröpfelt. Auch größere Farbflächen, die jedoch nicht leer sondern durch Wischtechniken bewegt anmuten finden sich, durch nur wenige gepunktete Linien getrennt. Was einen Profileffekt erzeugt, beinahe wie bei einem Gesicht, oder an Landschaften oder -Karten erinnert oder extrem verkürzte Perspektiven auf Wellenbewegungen oder Felsformationen.

Ähnlich bei den Gefäßen. Aus Erden und gestoßenen Gesteinen. Gleichsam die Glasuren. Letztere auf Ersteren. Fließende, mal figurativ anmutende, mal zufällige, oder besser versuchte Chaosbesänftigung/-bewältigung des Spieles mit den Eigenschaften der Mischungen, auch scheinbare Überformungen, glättende Panzer, gleichsam die teils strengen und rauen Formen segmentierend. Dieses über oft gefalteten, hohen, wuchtigen und/oder bauchigen Konstruktionen aus Steinzeugtonen.

Aber eben auch Unähnliches. Es gibt auch vermittelt wirkende Beigesellungen, mithin bemüht wirkende, Gesprächseinsetzungen von Gegenstand und Bild. Zudem bietet der Vorgang des Brennens der Gefäße, diesen die zusätzliche Hervorrufung von Glättungseffekten, sowie eine Erweiterung obig angerissener Palette um Grün- und Blautöne. Zudem selbstredend das Umgehen der drei Dimensionen immer anders bleibt, als das Vorstellen gegenüber X- und Y-Achsen. Aller Gegenstandsabsprache zum Trotz. Natürlich bleiben sie letztlich für sich, eine Einigung, eine Vereinigung ist nicht, doch aber überraschende Nähen. Kein Kulturschock, keine Inklusion, sondern Integration ineinander, wechselseitig, ohne das Eigene aufzugeben. Was man sich gesellschaftlich wünschen würde. Dass man gemeinsam sein kann, wie auch allein und kein Ausspielen gegeneinander ist. Oder gar Leitung zugesprochen würde. Das Gegen-Schäuble-Modell sozusagen. Multikultur, ist keine schöne Illusion, sie ist Fakt. Darüber man sehr froh sein sollte.

Dies Gegenüberstellungs-, meint Beigesellungskonzept, auch wenn es nicht immer ganz aufgeht, ist unbedingt sehenswert, vielleicht gar mit dem obigen politischen Gedanken im Herzen, dies alles zusätzlich um eine Perspektive des Ganges erweiternd. Es erweitert den Horizont bis hinter den Ayers Rock und lässt gleichsam das so Nahe in einen Fokus treten, der es entfremdet. Es mit anderen Augen zu sehen. In anderen Kontexten. Immer die Frage: Wieso nicht? Besonders dann, wenn jeden ersten Mittwoch im Monat, das ganze Museum bzw. alle drei Museen kostenlos zu besuchen sind?

(4/5)

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