jugendstil aus nuernberg
kategorie: Feuilleton
location: Grassimuseum (Leipzig)
sparte: Ausstellung

Datum: 12.04.-06.07.2014

Die Hand werkt. Schafft sie dies auf besondere Weise, ist ihr Produkt womöglich Kunst, weil besonders gut, nach seinem Sinne, dabei zusätzlich auch schön. Diese nun schafft bei ausreichendem Bedeuten Kultur oder wird zu einem Gut der Kultur. Industrie nun stellt dies Gut, nach dem Muster des Ersinnenden, vielzahlig her. Es bezahlbar-reizend zu erzeugen. Um 1900 taucht ein sogenannt jugendlicher Stil auf. Wo gleichsam Produktion und Technik sich in Leistungsfähigkeit und im feinen Zwirn der Besitzer, voll diesen sprengendem Selbstbewusstseins, sich in die saturierte Brust werfend, gefallen, voller Zuversicht und Fortschrittsgläubigkeit.

Was naheliegender, als dass man sich zusammentut. Der Künstler will leben und also bezahlt sein, jene Haben das Geld und verkaufen gerne deren Ideen. Eine Win-Win Situation? Ganz sicher nicht uneingeschränkt, wie zu sehen sein wird. Der Stil selbst jedoch gefällt bis heute, seine meist zierlichen Schnörkel und oft zurückhaltenden Formen-Spiele schmiegen sich eng an den Nutzen, so dass die Überfrachtung, die als dekadent gilt, vermieden wird. Dabei die toten Gegenstände lebendig zu gestalten, viel Flora und Fauna, ein bisschen (ab und an recht romantisch angehauchten) Mythos gibt es auch, sowie exotische Anklänge.

Der Besucher betritt die wunderbare Art-Deco-Pfeilerhalle. Deckenstützen denen dreiseitig Glasvitrinen integriert, sie zu umlaufen und zu umstaunen. Es beginnt mit G.F. Schmitt, vorwiegend Metallarbeiten. Etwas grob wirken sie und raumgreifend, mit Wuchtigkeit auskragend. Dabei mit Pflanzen- und Blüten-Stilisierungen, die zum Teil stärker abstrahiert von der Natürlichkeit. Ranken und Fledermausflügel. Die Glasarbeiten sind im Kontrast hierzu sehr fein und zart gearbeitet, inklusive der metallenen Einfassungen oder Griff- und Haltestrukturen. In der Gestaltung sind diese allerdings kaum noch figurativ anzusehen, eher geometrische Formen die, so scheint es, ausschließlich dekorativen Charakters sind.

Walter Scherf & Co. wartet mit Mythologischem auf. Faun, Circe, Poseidon, Dämonen. Skulptural dieses. Zum Gutteil sehr fein ausgeformt. So sieht man etwa ein Paar, dass in Verschlingung sich küsst, dabei den Teller einer Kerzenhalterung über die Köpfe hebt, über dem dann eine laszive Flamme tanzen könnte, da sie sich aneinander festhalten. Ausgesprochen lieblich anzusehen. Es gibt das ein oder andere Gebrauchsgut, dass wie aus einer Puppenstube entwendet scheint. Die Maßstäbe bewirken hier Befürchten von Zerbrechlichkeit. Dann plötzlich wieder klobigere oder in Differenz zu ebendiesem nur so wirkende Strukturen. Auf beidem Tierbilder und Nachbildungen von deutlich japanischen Vorbildern.

Die Gebrüder Bing AG produzierte an hier Ausgestelltem Gefäße von mittelalterlichem Anmaßen, dabei die Ornamentik arg reduziert, insgesamt alle über- bzw. hinzuformenden Gestaltung der Grundgestalt. Dies nicht sehr aufregend.

Geformtes von J. v. Schwarz gefällt dagegen sicher jedem LSD-Konsumenten, es ist farbenfroh, manchmal gar hysterisch, teils an gedruckte Plakate erinnernd, Gemischtes aus Vor-Pop-Art und Ethnologie schwingt als Subtext, selten aber auch als kaum subtile Überschrift, mit. Erneut deutlich japanische Einflüsse sind herauszulesen, vielleicht auch Hawaiianische. Bishin zur psychedelischen Überhöhung, in quietschige Farbkontraste kippend, lebendigkeitsbejahend, rauschhaft, hinwieder aggressiv und beißend. Dann allerdings mit einer Uneinheitlichkeit der Themen und Techniken aufwartend, die etwas wirr scheint.

So ist der großflächige, beruhigende Farbenauftrag hier und da nicht der Form integriert, sondern diese zur Leinwand aus Keramik geworden, das rein Dekorative, nicht mehr recht nützliche streifend in diesem sich so darstellend. Es finden sich antike Zitierungen, von Figuren und Geschichten, diese etwa auf Fließen recht gelungen sind. Hingegen die sehr merkwürdige Idee des gemalt jugendstilhaften Rahmens für eine innerhalb befindliche Heimats-und-Landschafts-Idylle, die aus einer sehr dumpfen Gegend oder Dekade hereingestolpert scheint, Hybride von, meint der Rezensent, nicht Passlichem. Oft wenig ausdifferenziert in der Figur, oder doch nur halbherzig, einfach, grob. Noch an Pflanzliches erinnernd. Dabei stofflich neben vielen Fayencen auch wieder Zinn- und Kupferbasiertes.

Bei Felsenstein & Mainzer fanden sich sehr florale Schaustücke. Zudem auch eher beruhigte bis hin zum Simplen. Von F. Kainzinger sind wuchtig-grobe Formen anschaulich, die Ornamentik scheint eher technisch als natural, mitunter wie metallische Versuche, dabei die Dosen und Amulette deutlich überladen anmuten und mittelalternd. H. Knorr ist dagegen bei dem wenig zu Sehenden sehr stilsicher und weniger mystisch-deutsch.

Erneut Arbeiten von G.F.Schmitt, aus Zinn. Was kaum erkenntlich, weil diesem unwahrscheinliche Farben zukommen, wie atmosphärische Wolken aus Wirbeln, wie Wetterkartenstürme in Bewegung des betrachtenden Auges geratend. Dieses nachgerade, sensationelles Highlight der Ausstellung, man kann sehend sich in ihnen verlieren. Auch im Glas, dass meist metallen eingefasst (bekränzt, Griffstrukturen, Deckel). Ebenso erneut noch einmal Walter Scherf & Co., Maß und Mitte gefunden habend in Ornamentik, gemäßigt und souverän die Form gut ergänzend. Dies recht schöne Metallarbeiten (teilweise mit Glas). Manchmal jedoch auch ein bisschen ausladend.

Insgesamt ist es eine gute und sehenswerte Ausstellung, leider nicht so umfänglich wie man sie sich wünschen würde, um einen systematischeren Eindruck in der Schaffenszeit in Nürnberg herausarbeiten zu können, jedoch im Rahmen der räumlichen Potentiale schon auch nicht gering in der Anschaulichkeit. Ein paar Texte mehr hätten es sein dürfen. Zu den Schaffenden, wie zu den Firmen, dieser bewegten Zeit. Doch verzeihlich dies, wo am schönen Genuss ist. Da nicht alles schön, dieses nicht überall. Aber genügend sich auf die Beine zu machen. Jeden ersten Mittwoch im Monat sogar kostenlos. Keine Ausreden also. Muss man gehen.

(3/5)

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