goodnight circus
kategorie: Feuilleton
location: naTo (Leipzig)
sparte: Konzert

Datum: 06.04.2014

Zwanzig Uhr fünfzehn. Der Blick schweift, da die Raumbeleuchtung runtergefahren wird und das Bühnenlicht sich erhellt. Es ist eine große Überraschung, nur sechs Zuschauer bilden das Publikum, auf der Bühne stehen sechs Musiker, für jeden einer. Es sind dies, Christine DePierro (Trompete, Gesang), Raffaele Cataldo (Violine, Gesang), Carlos St. Anna (Piano, Posaune, Gesang), Larik Egana (Gitarre), Michael Tuttle (Kontrabass) und Hampus Melin (Schlagzeug), zusammen der Goodnight Circus. Doch kaum, dass die ersten Takte erklingen, strömen die Massen herein, am Ende ist man im Auditorium zu Zwanzig. Dabei aber zu bemerken ist, dass von diesen immerhin mindestens acht Besucher durchtanzten, auf einer fast leeren Fläche. Doch genug der zählenden Arithmetik.

Der Circus ist ein Mix aus fremdländischen Ursprüngen, die in Berlin ein Gemeinsam erfanden. Dieses, seit einer gewissen Zeit, als geheimer Tipp firmiert, offenbar ein bisschen zu geheim für Leipzig, doch was soll es. Es spielt auf der Swing, der tatsächlich in Schwung versetzt, wie das Saitenzittern eines Gitarren-Anschlages. Auf das stille und ruhe Sitzen, dass es explosiv in die Glieder fährt, dort Energien freizusetzen. Der Rezensent sperrte seine Ohren weit auf und was da einging war recht facettenreich, jenseits des Taktes. Oft folkig dieses, so fliegt einen mal die Vorstellung einer italienischen Serenade an und dann sieht man Osteuropa aus den nicht mehr eisernen Vorhängen herausschauen, es sind Anklänge von Klezmer und Gypsy-Jazz, etwas Dixieland und Cabarett-Clownerie dabei, sogar ein ganz klein wenig klassische Musik dringt durch.

Etwas wortgemäßer Zirkus eben, während optisch das Swingklischee bedient wird, von den Herren mit Hut, Anzughose und Hemd, trägt die Frontfrau etwas, das nach Fado aussieht oder nach spanischen Tänzen, langes Schwarz. Eine Rose am Gebläse, das sie bedient. Von einer Sirene des Pianisten angefeuert, der ansonsten wilde Fingerbeweglichkeit demonstriert, dann das Soli hereinbricht vom inneren Jazz erregt. Oft dürfen mehrere des Sechsers nacheinander. Das Schlagzeug gibt den Anklang, den das Einmischen und Überwiegen, wie von einer Schaukel, der Flügel überflügelt, nun ja, eben ihm gemäß. Da vom Gesang lassend, der Geiger seine aufgedrehte Schrille fiedelt, nach der Gitarre klimperndem, vor des Basses brummendem Spiel. Jeder ist mal dran.

Die tragenden Takte hüpfen und springen aus ihrem Weg, da im Furor-Finale der Geige, mit dem Spielenden, sich in die Luft begibt, ein bisschen abhebend. Es kommt von den Quellen, und warum nicht von allen, das Internationale, das Übergreifende, die Grenzen zerschreitend als seien sie nicht, und sind es dadurch auch nicht mehr. Dem ist besonders hübsch zu lauschen. Ein gegenseitiges Profitieren, eben allen Zusammen, der Menschen und ihrer kulturellen Prägungen, etwas Eigenes zu kreieren, etwas das mehr ist, und im guten Sinne anders, als seine Teile.

Louisiana Fairy Tale, der Song. Das raue Schwanken eines Blues setzt rauchig ein, der, denn der Swing genügt sich nicht, das Tanzgebein zucken macht, bis ihm Gerechtigkeit widerfährt und es bewegt wird, nun gar nicht mehr anders könnend. Weil bald jedes Gelenk des Körpers in Wippen, Nicken und Klappern gerät. Und dies alles ohne Elektronik, dafür ein Halleluja.

Die Verspieltheit ist das Wort, welches sich über seine eigentliche Bedeutung und Konnotation erhebt. Ein Hingerissensein, des je Beachteten, von seinen Mitmusikanten, die Rasanz anreichernd, mit Resonanz, schmeckend wie ein schöner, noch nicht übertriebener Caipirinha-Rausch, jeder sein Teil seine Zu-Tat einbringend. Der Wiederholung in Variation eingebend, was ein Ganzes macht, im Rezitativ des Grund-Rhythmus, ein Gemeines, ein Schönes und ein Beglückendes, dem der es sieht und hört. Und es ist gar interessant zu erleben, wie WahWah-fröhlich ein Klagen aus Trompete und Posaune erklingen kann. Was man mitnimmt, darf man behalten. An Gefühl und Freude.

Der Rezensent gibt gerne volle Punktzahl. Und eine Empfehlung aus. Man begebe sich in den Zirkus, denn es wird dem Gegenwärtigen gewisslich ein schöner Abend sein.

(5/5)

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