fischladen leipzig

Es beginnt das Beginnen um 18:30 Uhr, schon mit dem Vorprogramm, hierfür finden sich ein der glorreiche FC St. Pauli und die gräuliche Maus Bochum. Die Hamburger dominieren die erste Halbzeit, schießen in jener allein drei Tore, wenn auch eines von diesen, um das Spiel spannend zu halten, ins eigene Gehäuse. Flottheiteres Kicken geht da vor Augen ab. Da der Rezensent genüsslich im knarzenden Leder des Sitzgelegentlichen seine Mate verknuspert und sich der gemütlichen Ofenwärme überlassend das Kneipig-Luftige atmet, als sei es Höhenluft oder Meeresrausch. Schwanger die Luft, mit Atmosphäre, Jubel und Ächzen an je richtigen Stellen. Nach und nach füllt sich der Fischladen, wenn auch nicht alle schon so früh, aus Interesse am Vorprogramm, erscheinen, sondern erst zum eigentlichen Hauptanlass hereinschneien, die erst reichlichen, dann dennoch letzten Plätze überzubelegen. Doch dieses ist vorgegriffen, erst mal ist Halbzeit und die Theke Ziel der Dürstenden, da die, welchen der Redefluss schon hinreichend viskos gestaltet ist, fachsimpelnd all die Situationen analysieren, die der Analyse bedürfen.

Wie gesagt, die Paulianer meinten es gut mit dem Eigentor, viel zu gut wie sich zeigt. Der Ausgleich fällt, aus dem Rund tönt es richtig: Unfassbar, Bochum macht mit einer Chance zwei Tore, auch eine Leistung. Jene der vielbeinigen Abwehr der Nordlichter verdient jedoch kaum ein lobend Wort hier niedergeschrieben zu finden, vielmehr verdienen diese sich ihr Gegentor. Doch die Offensive will die Kerbe auswetzen und mühte sich. Im Zeugnis ist das erbärmlich, beim Fußball ist das ein Tor wert. Führung. Überhaupt sind das gar hübsche Aktionen, die da stramm abgeschlossen nach vorn gehen. Nun müsste man das Spiel nurmehr nach Hause bringen, doch leider zieht sich das, von der Nicht-Mehr-Opel-Stadt bis ins vermeintliche Sündenbabel an der Elbe. Nach diesem Satz auch klar ist, wie der Folgende sich gestaltet, erneut der Ausgleich durch die Mausigen, dank der Hintermannschaftsdilettanten. Wenigstens keine Onkelz! Bochum kann zum Ende hin sogar gewinnen und beinah den Spielverlauf umdrehen, so viel Unglück den Fischköppen dann aber erspart bleibt. Endstand drei zu drei. Ein gutes und spannendes Spiel für den Zuschauer.

Pause und Raumauffüllung. Die „Grauzone“ wird als uneindeutiger Begriff vorgestellt. Jedoch zur Beschreibung bestimmter rechter Lebenswelten in Punk, Oi! (und Deutschrock) herangezogen, was naiv gesagt, verwundern mag, dachte man doch den Punk links und den Oi! neutral verortbar, doch weit gefehlt, differenzierter ist das Bild in den Genres bzw. ihren Bandlandschaften. So ist etwa, was sich selbst in der Grauzone verortet oder dort fremdverortet wird, kein Rechtsrock, dieser ist nämlich bekennend nazistisch, faschistisch, rassistisch, sexistisch, etc.. Die Grauzone ist heterogener, viele Gruppen tummeln sich in diesem morastigen Becken des politischen Abtauchens, unter die Wasserscheide angeblicher „unpolitischer“ Haltungen. Dieses scheint nämlich das bei allen Unterschieden Einende zu sein, die offensiv oder defensiv vorgetragene Selbstauskunft „unpolitisch“ zu sein. Die Referentin gibt an warum dieses zu bezweifeln ist. Einmal gäbe es strukturelle Kontakte zu einzelnen Rechten und/oder Naziorganisationen, dies wurde an Beispielen aufgezeigt. Zum anderen sind inhaltliche Überschneidungen eindeutig auszumachen, vor allem bei den Lyrics, die unverhohlenen Hass transportieren, aber auch in deutlich verwandter Symbolik und Ästhetik (Tattoos, Kleidung).

Dabei gehen die Bands und Szenemitglieder mal mehr mal weniger subtil vor, so wird etwa unter dem Deckmantel öffentlicher Diskurse (paranoide Angst vor Ebola, Asylbewerberheime, Salafismus, etc.) Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Islamophobie in Räume eingetragen, die nicht klassisch rechts sind, etwa auch sich als links verstehende Läden und Konzertveranstaltungsorte, was die Bands zum Teil keineswegs daran stört in Nazi-Läden aufzutreten. Dieses wird natürlich unternommen, sich primär vor Repression zu schützen, etwa vor Polizeiüberwachung und Staatsschützern, jedoch auch um durch den rechten Rand der Mitte in selbe einzusickern, was bereits auf deutschen Straßen in Köln, Dresden und an vielen Orten sehr „normal“ geworden zu sein scheint, Rechte Arm in Arm mit „Unpolitischen“ und Leuten, die man als Aber-Sager kennt: „Ich bin kein Nazi, aber …“, „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber …“, „Ich habe nichts gegen Flüchtlinge, aber …“. Aber …, da gibt es kein aber, sollte man als aufgeklärter Humanist meinen, leider scheint es derer entschieden zu wenige zu geben.

Zurück zu den Grauzonis, einige derer in rechten Organisationen waren, bevor sie sich „unpolitisch“ nannten, die menschenverachtende Texte schreiben, die nur ganz zufällig wie vom NPD-Wahlplakat abgeschrieben erscheinen und auf ihren Plattencovern zum Beispiel die berühmte Szene aus American History X imitieren, wo einem Menschen, der auf den Bordstein beisst mit dem Springerstiefel Anlauf nehmend auf den Hinterkopf gestiegen wird. Alles Zufälle, alles natürlich von den Kritikern ganz falsch verstanden. Komisch nur, dass es von den Rechten auch als rechts identifiziert und entsprechend von der Idiotie, in ihrem entsprechenden Sprachstil, gewürdigt wird, in einschlägigen Foren, in Youtube-Kommentaren und überall da, wo man mit dem Löschen von gemeingefährlichem Schwachsinn nicht hinterherkommt, oder dieses gar nicht erst versucht.

Die Referentin macht dieses an einigen prominenten Beispielen klar, dieses differenziert, leider kommt dennoch während der Veranstaltung das Gefühl auf, besonders bei den anwesenden Ois, dass hier ein wenig zu pauschal geurteilt wird, und das geschieht leider auch tatsächlich, oft dann, wenn die Beispiele gelassen werden und auf einer allgemeineren Ebene gesprochen wird. Daher sei hier noch einmal klargerückt, es geht um die Grauzonenbands und Sub-Subkulturen innerhalb der Subkulturen Punk und Oi!, nicht um diese Genres selbst. Daher gilt es sich vor allem auf die Beispiele zu konzentrieren. Etwa OHL, Schusterjungs, Stomper98, u.ä., und selbst diese müssen in der Grauzone noch differenziert betrachtet werden, sind nicht dem gleichen Grade nach verdächtig, aber alle aus Gründen und mit diesen genannt worden.

Wie kommt es nun, dass trotz solcher, ermittelter Tendenzen solche Bands in Teils linken Läden spielen dürfen? Weil offenbar die Sensibilisierung bei Veranstaltern und Labels in diesen Fällen nicht gegeben ist, teils sind auch die Labels selber „unpolitisch“. Oft wird die Selbstauskunft über selbiges Attribut unüberprüft als Wahrheit angenommen, ohne sich zu fragen, warum es für einen Rechten taktisch klug sein könnte hier und da mal nicht seine Gesinnung offen raushängen zu lassen. Dabei sind die berühmten Schulhof-CDs ja auch nicht mit den Worten übergeben worden: „Wenn du gern Juden töten möchtest, ist das deine Musik!“ Als rechts gilt in diesen Bereichen, scheint es, nur, was sich als absolut eindeutig solches darstellt. Das ist gesellschaftlich auch kein Wunder, müsste man doch sonst zum Beispiel ein CSU-Partei-Verbotsverfahren einleiten und einiges mehr tun.

Nun zu einem herausgegriffenen Beispiel, das aktuell war, da am Tage drauf, dem 06.12.14 die Band Stomper98 im Conne Island ein Konzert gab. Laut Selbstauskunft eine „antifaschistische“ Band. Deren „antifaschistische“ Mitglieder kein Problem damit haben sich in trauter Eintracht mit Faschisten (aus einer Rechtsrockband) ablichten zu lassen. Eine Band, die homophobe Texte schreibt und am liebsten Pädophile hinrichten lassen will, also die Todesstrafe fordert für diese (und wen noch?). Diese Songs jedoch in Reaktion auf den kleinen Fotoskandal nicht mehr gespielt werden, da man sich von Rechts „distanzierte“, dabei man gleichzeitig weiter in Kontakt zu rechten Bands steht oder mit Bands, die mit solchen Rechten touren oder selber mit jeweiligen Nebenprojekten mit rechten Bands auf Tour geht.

Zum Beispiel OHL, humorig von der Referentin als CSU-Punk tituliert, deren Themen deutsche Leit-(un-)kultur ist, die eine islamische Bedrohung imaginiert (wennschon eine Terroristisch-Islamistische, aber selbst das ist als vermeintlich gesellschaftliche Bedrohung erheblich zweifelhaft) und Sarrazinkonformes aller „man wird ja wohl noch sagen dürfen …“, als hätte jemals jemand gewaltsam deren Redefreiheit eingeschränkt. Doch ist man in diesem verstockt-bürgerlichen bis hin zu extrem rechten Kreisen schon tödlich beleidigt, wenn jemand ein gutes Argument anbringt gegen den Mist, den die Äußernden verzapfen, und dieser Anspruch auf Unwidersprochenheit ist von der Redefreiheit sicher nicht abgedeckt, wie auch keine Freiheit von Verantwortung (und Verantwortlichmachung) besteht, für das was man sagt. Hieran, so die Referentin, zeige sich das merkwürdige Verständnis, was ein Unverständnis ist, von Politik.

Es ist erstlich schon einmal fraglich, ob es überhaupt möglich ist, unpolitisch zu sein, und ob nicht dieses Unpolitischsein schon politisch ist. Zum anderen ließe sich fragen, ob die historische Erfahrung nicht über die mögliche Tendenz des Maulhaltens und Mitmarschierens hinreichend aufklärt. Ob es nicht angesichts derer, die Hass gegen Menschen propagieren, weil diese nicht in Deutschland geboren oder ihre Hautpigmentierung vom Kalkweißen abweicht oder in ihnen die Liebe zum gleichen Geschlecht entbrannte, die also Schmutz in die nur multikulturell zu denkende Öffentlichkeit kippen, der den Mitmenschen gefährlich werden könnte, entgegenzutreten und zwar verbal wie im Handeln (meint nicht handgreiflich, obschon das vorkommen kann)? Ob also nicht Widerstand gegen Rechte die Pflicht jedes Menschen ist, der sich selbst nicht für rechts hält, und sei es auch „nur“ in bekundeter Solidarität zu den Geschmähten und Eintreten zu deren Schutz. Dies ist kein „Wenn du nicht für uns bist, bist du gegen uns“, vielmehr gilt es zu sagen: „Wenn du mit diesen marschierst, weißt du dann, wofür du alles Mitläufer bist“?

Etwa für das Folgende, dass in der Grauzone, in deren rechten Lebenswelten vorkommt: Ungleichheitsideologie („erlaubt“ Ausgrenzung von „weniger wertvollen Menschen“), völkisches Heimatgeseier (Nation, aber in der Provinz auch „Einheit der Dorfgemeinschaft“, wo oft gar keine Ausländer leben, oder doch nur wenige), Reduktion des Politischen, Naturalisierung des Sozialen (Biologismus, Sozialdarwinismus), Festlegung auf Zustände/„Traditionen“ (d.h. Ablehnung von Prozessen und Wandel, beispielsweise spielen die Grauzonis oft Rebellen, um interessant zu wirken, sind aber so „konservativ“ wie Opa, fühlen sich stark und gefährlich, haben aber Angst vor Repression oder Widerspruch, wollen „anders“ sein, aber insgeheim nur mitspielen dürfen), Größenwahn und gleichzeitig Verfolgungswahn (Weltverschwörungen, gern jüdisch-bolschewistisch, die ungeheuer gefährlich für die eigene „Rasse“ seien, die merkwürdigerweise, trotz dieser ungeheuren Bedrohung, als natürlich die edelste, vornehmste und stärkste gilt), Haltung gegen sogenanntes „Gutmenschentum“ und political correctness (also gegen jede Kritik an der eigenen Meinung), Bezug auf Ehre und Stolz (Selbstverehrung).

Die Gefahr, welche von dieser Grauzone ausgeht, ist nun die Folgende. In dieser nämlich findet eine Rekrutierung von Jugendlichen und „Unpolitischen“ statt, diese nach und nach ins Netz der Rattenfänger gehen sollen. Und hier auch gleich ein Kritikpunkt. Denn dieses ist vielen kein Geheimnis, es gibt durchaus Ois, die darauf achten nichts mit Rechten zu tun zu haben und auch selber keine Rechtsbands hören. Im Einzelfall mag das bei Grauzonenbands eine Gratwanderung sein, doch dann gilt es diese eben aufzuklären, wie in diesem Vortrag auch geschehen, ein pauschales Urteil verbietet sich jedoch. In der Fragerunde im Anschluss, gab es murrende Beiträge, die in diese Richtung gingen. Genau dazu aber, nämlich eine Diskussion und zur Selbstreflektion anzuregen, diente diese Veranstaltung ja. Der Wille zum Wachhalten des Bewusstseins, dass es eine rechte Gefahr gab, gibt und leider wohl auch immer wieder in neuen Formen geben wird, auch solchen, die sich tarnen und Schleichwege betreten, ist in jedem Falle löblich. Wenn auch der Ton manchmal etwas lapidar war oder das eigentlich sehr Traurige über-ironiesiert wurde.

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