hedda gabler
kategorie: Feuilleton
location: Schauspiel (Leipzig)
sparte: Theater

Datum: 17.04.2014

Nach einer längeren Hochzeitsreise kommen Jørgen Tesman und seine neue Frau Hedda (geborene Gabler) nach Hause. Ins neue Heim, das für vieles Geld, den Extravaganzen Heddas vermeintlich zum Gefallen, erworben und eingerichtet. Auf eine Hoffnung hin. Die Anstellung als Professor, die Jørgen meint sicher zu haben. Doch es taucht auf, der viel talentierte Konkurrent (Ejlert Løvberg), aus den Niederungen gesellschaftlicher Ausgestoßenheit, in die er sich mit dem Alkohol, leichten Damen, etc. begab.

Überhaupt ist dieses Stück ein solches des Auftauchens. Vor allem von jeweiliger Vergangenheit, der ehelich Verbundenen. Das Gras wuchs nicht darüber hinweg, trotz der Rasenschonung des Verreistseins. Ihre Träger, v.a. in den Figuren Gerichtsrates Brack und des Ejlert Lovberg, knüpfen da an, wo der rote Faden des prosaischen Lebens riss, nun theatralisch angebunden, an was vergessen sein wollte oder sollte. Was diese nicht zulassen. Solange sie sind, kehrt mit ihnen wieder, dass die Krisis in Gang bringt, die lediglich unter der Oberfläche verdeckt darauf harrte.

Dieses etwa das Begehren Bracks und Ejlerts nach Hedda und eines buchgewordenen Konkurrenzkampfes, der Ruin prophezeit, Konkurs an Ruf und Budget des Jørgen. Darob hinaus der baldige Tod von dessen Tante droht, seiner anderen, Juliane Tesmann, Problemen mit Hedda, sowie der eheflüchtigen Verkompliziererin Frau Elvsted.

Wir finden eine Couchgarnitur aus halbrunden blauen Polstern, drehbar auf dem Turn-Table der Bühne. Um einen Tisch, der voll der Blumen der Bewillkommnung. Das Tantchen Julla sitzt altmütterlich und führt ins Stück ein. Ihr Jørgen scheint es geschafft zu haben, die städtische Trophäe als Frauchen, ein großes Buch in Arbeit, ein hübsches Heim, aus dem Doktor soll ein Professor werden. Merklich ist sie stolz. Wenn auch vorzeitlich. Tradition.

Diese gebrochen wird, sehr lose umgeworfenen Bademantels kommt ihr ganzer Stolz herein. Nachher das Weibchen im Nachthemdchen. Das Gespräch und alles wird klemmig. Doch ist es noch leidlich fortgehend, fortgehend auch das Tantchen (sehr hübsch gespielt, tragisch-schön, dabei herzig). Die beiden Hauptdarsteller spielen ihre Figuren gut, besonders bei Hedda ist dieses schwierig. Da sie, noch weniger, als ein Typ angelegt, zwar zum Böse hin tendierend, deutlich sozio-pathisch, jedoch mehr als Handpuppe eines Wesens, dass eigentlich gar nichts in sich hat, nur ein bisschen, nun schon alternde, Schönheit an sich.

Diese an einer Stelle sagt, sie wolle nicht mit Tod und Krankheit, nicht mit Hässlichem konfrontiert werden, dabei nicht eine Spur eines Ahnens habend, dass sie mit weitem Abstand das Hässlichste des Stückes ist, wenn auch nicht der Oberfläche nach. Sie darzustellen somit Nicht-Darstellen zu verlangen scheint. Doch ihre Langeweile war ausgesprochen klug transportiert. Gleichsam die Naivität des Jørgen vom Personal angenehm gemildert worden, stattdessen werden die Stellen, wo das Ungesagte alles sagt, besonders betont (dieses zwar nicht immer besonders subtil, aber dem Text gerecht werdend). Und ungesagt bleibt so Vieles, dass man mindestens ein Stück vor dem Stück auszumachen beginnt (etwa in der „Freundschaft“ von Ejlert und Frau Elvsted), eines neben diesem (etwa im Salon eines pikanten Frauenzimmers).

Besonders überzeugte die Darstellung des Brack. Man hat den Typ jovialer Banker vor sich, der allen zu Diensten zu sein vorgibt, dabei aber ausschließlich seine eigenen Ziele im Auge hat. Ein Spiel im Spiel, das in den Dialogen mit Hedda überaus deutlich wird. Frau Elvsted wurde weniger passiv und ergeben dargestellt, als sie im Text wirkt. Das gibt dem Ganzen mehr Lebendigkeit, macht es jedoch ein bisschen weniger plausibel, dass das Spielen ihrer Marionettenhaftigkeit durch Hedda so leicht und durchschaubar über ihren Willen obsiegt, der eigentlich recht strickt auf Ejlert ausgerichtet ist. Hier vielleicht eine kleine Schwachstelle der Konzeption durch die Regie.

Weitere kleinere Kritikpunkte müssen angesprochen werden. So ist manches Darstellen mittlerweile ein wenig klischeebeladen und ihr Bedienen wirkt wie Ironie an der falschen Stelle. Gemeint ist hiermit etwa das ins Gesichtschütten eines Drinks. Und wo das Spiel überdeutlich, die Intrige so offenbar wird, wie sie irgend sein kann. Da an sich verlorene Puppen zappeln, an den Schnüren der Hedda, die jedoch dadurch selbst immer stärker schwankt. Das Mitdenken und Ein-Deuteln wird kaum gefordert, was dem Inhalt eine Geheimnislosigkeit eingibt, die manchmal etwas langatmig wird. Das Drehen der Couch machte es zudem am Rand Sitzenden und solchen in den ersten Reihen schwierig das Geschehen verfolgen zu können, da die Rückenlehne durch die Bühnennähe zum Auditorium Steilheit der Blickwinkel fordern konnte, denen nur ein natürlicher Wuchs von über zwei Metern Länge vielleicht hätte entgegenwirken können. Jedenfalls von einigen, wenigen Stellen der Bestuhlung her.

Doch dieses nur wenig mehr als Petitessen. Zurück zum Positiv. Subtile Mittel nämlich waren auch und diese gut eingesetzt. Die Figuren kreisen, gleich der Bühne, dieses jedoch ständig, um einen zentralen Punkt, der ungenannt bleibt, aber körperliche Spannung erzeugt. Etwas Knisterndes macht das Bewegen unstet, das häufige Kommen und Gehen, die Figuren haben eigentlich kaum Zeit für ihre Auftritte, es ist eine mentale Hektik, ein Getriebensein. Auch von bürgerlicher Erwartung und Wirksucht, jedoch eben auch der Widersprüchlichkeiten des vollen Selbstseins, im Kontakt mit dem Andern.

Noch ein Wort zur Beleuchtung, die gleichfalls gelungen arrangiert. Die Szene wechselt mit Dunkelheit, das Dämmer von Morgen und Nacht sind trefflich eingebaut, die Übergänge harmonisch und zum Teil klug zur Inszenierung der Figuren verwand. So schleicht im Dunkel der Schatten Frau Elvstet schlaflos umher und die nachgerade dämonische Fratze der Hedda, im Moment der Bücherverbrennung, wird feurig illuminiert.

Es gibt noch eine Besonderheit, die herausgehoben bewegen, könnte im Negativ, wie Positiv. Der Rezensent meint jedoch, vor allem Letzteres sei für es angebracht. Das ist die Zelebrierung der Pausen. In einer reizüberfluteten Medienwelt spannt dieses nämlich die Nerven, zerrt an ihnen. Doch ist ihr Moment in der Dehnung von ausgesprochener Wichtigkeit. Schweigen ist beredt. Sprechen überlagert nur diese Beredsamkeit, potentiell mit Lug und Trug. Und so ist im Bühnen-Rauchen und Trinken, die Leere der vergehenden Zeit geradezu greifbar und sehr intim. Beinah voyeuristisch wird einem das Zusehen. Eine Obszönität, durch den Riss in der (falschen) Seele ein Stück weit hineinzusehen, wo Raum der weitgehend unausgefüllt. Oder durch den Riss in der Maske auf eine solch tieferliegende, die schon erstarrte Totenmaske ist.

Denn einzig erhofft Hedda sich noch eine Art von Glück, von der Größe her. Heroisch soll es sein, eine wirkliche Tat, heldisch, groschen-romanesk. Allein das Leben zeigt sich prosaisch und das Epische ist in großer Mehrheit „nur“ textlich, ausschnitthafte Poesie, unter erheblichen Weglassungen. Im Warten darauf, aus Feigheit es selber anzugehen, irgendetwas selber anzugehen, lenkt Hedda die Wege anderer um. In Positionen sie zu setzen, die verzweifelt genug sein könnten, Ausbrechen zu provozieren. Aus den Gebundenheiten, die besonders sie als Fesseln, als Ketten empfindet, an die Langeweile. Dieses ist purer Realismus. Sich klar zu machen, dass solche Menschen sind, ist ein Grusel, der über die Epidermis schauert, welcher, ist er tief durchdacht, Angst und Bange machen kann. Dies darzustellen ist ein gutes Werk, denn sein Inhalt ist wahr. Wahrheit, die oft schmerzhaft. Entsprechend idealer Stoff für das dramatische Theater. Mindestens, neben dem anderen Fürsprechenden, ein Grund mal wieder ins Schauspiel zu gehen.

(3,5/5)

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